InselMagazin | Wissenswertes über Natur, Kultur und Geheimnisse der Insel

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Die Guanchen – Ureinwohner Teneriffas und ihr verborgenes Erbe

Die Guanchen – Ureinwohner Teneriffas und ihr verborgenes Erbe

Teneriffa ist nicht nur ein Ort für Sonne und Vulkane. Die größte Kanarische Insel war einst Heimat einer Kultur, die lange vor der Ankunft der Spanier existierte – der Guanchen. Sie lebten über Jahrhunderte isoliert, entwickelten eigene Traditionen, eine einzigartige Sprache und ein tief verwurzeltes Glaubenssystem. Wer heute auf der Insel unterwegs ist, kann vielerorts Spuren dieser frühen Zivilisation entdecken.

Veröffentlicht am 14.06.2025 | © 2025 H. M@tlik

Wer waren die Guanchen?

Die Guanchen gelten als die ersten bekannten Bewohner Teneriffas. Ihre Wurzeln führen bis ins 1. Jahrtausend v. Chr. zurück. Genetische Studien legen nahe, dass sie von Berbervölkern Nordafrikas abstammten. Der entscheidende Unterschied: Auf Teneriffa entwickelten sie sich über viele Jahrhunderte ohne Kontakt zur Außenwelt weiter.

Im 15. Jahrhundert war die Insel in neun Menceyatos unterteilt – kleine Königreiche, die jeweils von einem Mencey (Stammeskönig) regiert wurden. Diese Struktur bestand bis zur endgültigen spanischen Eroberung 1496. Mit ihr endete auch die Selbstständigkeit der Guanchen.

Lebensweise und Alltag

Die Guanchen wohnten überwiegend in natürlichen Höhlen, nutzten aber auch einfache Steinhütten. Besonders eindrucksvoll sind die Siedlungsspuren in der Region La Orotava und die vulkanische Höhle „Cueva del Viento“ bei Icod de los Vinos.

Ihre Ernährung stützte sich auf Viehzucht – vor allem Ziegen –, Ackerbau, Fischfang und Sammeln. Sie produzierten Keramik mit geometrischen Mustern, nutzten einfache Werkzeuge aus Stein und Knochen und webten Kleidung aus Ziegenwolle. Vieles davon ist heute im Museo de la Naturaleza y Arqueología in Santa Cruz ausgestellt.

Sprache und soziale Ordnung

Die Sprache der Guanchen ist nicht überliefert, wurde aber mündlich weitergegeben. Einige Begriffe und Ortsnamen sind bis heute erhalten. Sprachlich wird sie als mit den Berbersprachen verwandt angesehen, sie war jedoch eigenständig.

Die Gesellschaft war streng hierarchisch: an der Spitze der Mencey, darunter Adelige, Priester und das einfache Volk. Frauen hatten innerhalb der familiären Strukturen einen festen Platz und konnten Eigentum besitzen.

Glaubenswelt und Rituale

Die Guanchen verehrten Naturkräfte – Sonne, Mond, Berge – und glaubten an eine spirituelle Verbindung zu ihren Ahnen. Ihre religiösen Praktiken umfassten Opfergaben, rituelle Tänze und das Sprechen mit den Geistern der Verstorbenen.

Besonders eindrucksvoll waren die Bestattungsrituale. Je nach sozialem Status wurden Verstorbene mumifiziert oder in steinernen Grabstätten beigesetzt. Mumienfunde aus dem Barranco de Herques oder dem Tal von Güímar zeigen konservierte Körper mit Beigaben – ein Zeichen der spirituellen Bedeutung des Todes.

Gesundheit und medizinisches Wissen

Untersuchungen an Mumien haben gezeigt, dass die Guanchen unter häufigen Erkrankungen wie Arthrose, Magen-Darm-Infektionen und Atherosklerose litten. Bei einigen Schädeln wurden Trepanationen – also gezielte Öffnungen – entdeckt, die auf medizinische Eingriffe oder rituelle Praktiken hindeuten.

Trotz einfacher Lebensbedingungen erreichten viele Guanchen ein relativ hohes Alter, was auf ein angepasstes Lebensumfeld und stabile Ernährung hinweist.

Der Untergang der Guanchen

Mit der spanischen Eroberung im 15. Jahrhundert geriet das Gleichgewicht aus den Fugen. Nach blutigen Kämpfen, unter anderem in der Schlacht von Acentejo, fiel Teneriffa endgültig unter kastilische Kontrolle. Die Guanchenkultur wurde systematisch unterdrückt. Viele starben an eingeschleppten Krankheiten oder wurden versklavt. Der Rest wurde christianisiert und assimiliert.

Nur Fragmente ihrer Kultur überlebten – in Ortsnamen, Volksfesten, mündlichen Überlieferungen und archäologischen Funden.

Heute auf den Spuren der Guanchen

Wer heute die Geschichte der Guanchen erkunden will, hat auf Teneriffa mehrere Anlaufstellen:

  • Das Museo de la Naturaleza y Arqueología (MUNA) in Santa Cruz zeigt Mumien, Keramiken und Werkzeuge aus guanchischer Zeit.
  • In Icod de los Vinos führt die Cueva del Viento durch ein vulkanisches Höhlensystem, das auch als Wohn- und Ritualstätte genutzt wurde.
  • Im Barranco de Herques südlich von Güímar liegen versteckte Höhlengräber – ein stiller Zeuge der guanchischen Vergangenheit.
  • In Candelaria, einem wichtigen religiösen Zentrum der Guanchen, steht heute die Basilika mit der Schwarzen Madonna – Symbol der religiösen Verschmelzung alter Bräuche und katholischer Einflüsse.

Die Geschichte der Guanchen ist kein Relikt aus ferner Zeit – sie ist Teil der kulturellen DNA Teneriffas. Auch wenn die ursprüngliche Lebensweise verschwunden ist, lebt ihr Erbe in Sprache, Traditionen und archäologischen Funden weiter. Wer die Kanaren verstehen will, muss auch die Guanchen kennen. Nicht spektakulär laut – aber tief und bedeutungsvoll.

Quellen:
  • Fregel, R. et al. (2017): Ancient genomes from North Africa. Current Biology.
  • Gobierno de Canarias: Cultura y Patrimonio
  • Instituto Canario de Estadística (ISTAC)
  • Museo de la Naturaleza y Arqueología (MUNA), Santa Cruz de Tenerife
  • Martín de Guzmán, M. (2006): Los Guanches. Vida y cultura del pueblo indígena de Tenerife.
Wer waren die Guanchen?
Die Guanchen waren die Ureinwohner Teneriffas und lebten isoliert auf der Insel bis zur spanischen Eroberung im 15. Jahrhundert.
Woher stammten die Guanchen ursprünglich?
Genetische Studien deuten darauf hin, dass sie von Berbervölkern aus Nordafrika abstammten.
Wie lebten die Guanchen?
Sie wohnten in Höhlen oder einfachen Steinhütten, hielten Ziegen, betrieben Ackerbau und stellten Keramiken und Kleidung aus Wolle her.
Welche Sprache sprachen die Guanchen?
Ihre Sprache wurde mündlich überliefert, war vermutlich mit Berbersprachen verwandt, aber eigenständig.
Wie war die Gesellschaft der Guanchen organisiert?
Die Insel war in neun Menceyatos (Königreiche) aufgeteilt, mit hierarchischer Gesellschaftsstruktur und festen Rollen für Männer und Frauen.
Welche Religion hatten die Guanchen?
Sie verehrten Naturkräfte und Ahnen, führten rituelle Tänze und Opfergaben durch und glaubten an ein Leben nach dem Tod.
Was weiß man über die Mumien der Guanchen?
Mumien zeigen konservierte Körper mit Grabbeigaben; einige Schädel weisen Trepanationen auf, was medizinisches Wissen vermuten lässt.
Wie endete die Kultur der Guanchen?
Mit der spanischen Eroberung wurden sie christianisiert, versklavt oder durch Krankheiten dezimiert. Ihre Kultur wurde größtenteils zerstört.
Wo kann man heute Spuren der Guanchen sehen?
Zum Beispiel im MUNA in Santa Cruz, der Cueva del Viento, dem Barranco de Herques oder in Candelaria mit der Schwarzen Madonna.
Warum sind die Guanchen heute noch wichtig?
Ihr Erbe lebt in Sprache, Traditionen und archäologischen Funden weiter und gehört zur kulturellen Identität Teneriffas.
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